Wenn dein Bruder gegen dich sündigt...

Wie gehstdu damit um, wenn dein "Bruder" oder sonst jemand "gegen dich sündigt"? Dir Unrecht getan hat? Dich belogen, oder ohne Grund beschuldigt hat, dich
Vor anderen schlecht gemacht oder sonst wie verletzt hat?
Manche setzen alles dran, um sich zu rächen:
Das zahl ich ihm/ihr zurück!"
Andere ziehen sich beleidigt zurück und brechen jeden Kontakt ab. - "Mit dem/der will ich nichts mehr zu tun haben!"
Manche beschuldigen sich selbst: - "Was habe ich denn wieder falsch gemacht?"
"Wenn dein Bruder gegen dich sündigt, dann geh und weise ihn unter vier Augen zurecht" - empfiehlt Jesus.
Geh - erwarte nicht, dass er den ersten Schritt macht.
Dass er kommt und sich entschuldigt.
Darauf warten manche lange, zu lange.
Geh zu ihm. Sag ihm deutlich, was dich stört.
Aber erwarte kein schnelles: "Sama wieder guat". - Das ist das Ziel, dass wieser alles gut wird, aber bis dorthin kann es dauern. Rechne damit, dass dein Gespräch mit ihm nicht abgehandelt sein wird nach ein paar Minuten.
Wenn dein erster Schritt nicht bringt - nimm einen oder zwei Vertraute mit, zur Unterstützung.
Und wenn auch das nichts bringt, dann kannst du die größere Gemeinschaft, in der ihr beide lebt, miteinbeziehen.
Wenn das auch nicht hilft, dann darf auch einmal Schluss sein. Du hast alles versucht. Es soll dich nicht mehr belasten.
Man merkt: dieser Weg, den Jesus vorschlägt, ist kein "Spaziergang". Er ist herausfordernd, aber notwendig. Nur so kann sich ein Konflikt lösen und eine Beziehung wieder in Ordnung kommen.
"Geh zu ihm und rede mit ihm!" - Das ist das Erste und Wichtigste. Rede mit ihm in einem Klima des Vertrauens. Lass ihm die Möglichkeit, wenn er will und soweit er will, sich auch zu erklären.
Geh zu ihm - nicht ihm Zorn. Rede mit ihm, in dem Vertrauen, dass kein normaler, "gesunder" Mensch "böse"
Ist - so aus Spaß.
Es steckt oft viel Unvermögen, viel Hilflosigkeit, auch viel Verzweiflung hinter einem Verhalten, das wir am anderen verurteilen.
"Weise ihn unter vier Augen zurecht" -
Solche "zurecht-weisende" Gespräche, wenn sie hilfreich sein sollen, sind kein Befehlen. Sie sind eher wie ein vorsichtiges Suchen nach Lösungen, nach "Auswegen".
Man kennt den mundartlichen Ausdruck: "weisen". "Lass dich weisen" - sagt man, um jemanden zu stützen auf einem schwierigen Weg - weisen - halten - damit der andere "zurechtkommt" in einer schwierigen Lage.
Das Ziel soll immer sein: den anderen als "Bruder" zurückzugewinnen. Das mag nicht immer gelingen.
Aber einen Versuch ist es immer wert.
Vieles zwichen Menschen, in Gemeinschaften, in der Politik, auch in der Kirchen, in der Nachbarschaft, in der Verwandtschaft, auch in der Familie, wird unmöglich, wenn das Gespräch nicht mehr gesucht wird, oder verweigert wird.
"Die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses!" - hat es in der Lesung geheißen.
Die Liebe achtet den anderen, sieht hinter seinem verhalten - auch seinem Fehlverhalten - immer noch den Menschen.
Die Liebe verurteilt nicht, sie möchte "verstehen", sie schließt nicht aus, sie hat Geduld.
Die Liebe möchte dem anderen ersparen, sich schämen zu müssen. Sie möchte ihm die Möglichkeit geben, sich erklären zu können.
Sie möchte ermöglichen "Knoten zu lösen" oder Zerbrochenes wieder neu zu "verbinden".
Die Art des Umgangs, wie Jesus es meint, seine "Weise" ist nicht leicht. Trotzdem sollten wir nicht müde werden, uns darin zu üben.
Vielleicht hast du jemanden im Sinn, jemanden, der dir etwas angetan hat, dich beleidigt, beschuldigt, belogen - oder sonst wie verletzt hat.
Vielleicht wartest du auf jemanden, lange schon, dass er kommt, um sich zu entschuldigen. -
Geh zu ihm, rede mit ihm, ja: "weise" ihn zurecht", aber auf eine hilfreiche, "lösende", aber auch "verbindliche" Art und Weise.
"Weise ihn" - gib ihm die Hand, hilf ihm, dass er wieder "zurechtkommen" kann, mit dir - und mit sich selber.